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Eine
Zeitreise durch 30 Jahre Radio Bayern 3- Von der Servicewelle zum modernen Formatradio. |
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Es gibt und gab
immer einen guten Grund, Bayern 3 einzuschalten. Zum Beispiel für
Brieftaubenzüchter, die pünktlich um 7.07 Uhr die Auflasszeiten ihrer
geflügelten Postboten erfahren konnten (gleiche Informationen gab's auch für
Donaudampfschifffahrtskapitäne, Tourengeher, Globetrotter und natürlich
Autofahrer): "Die Servicewelle von Radio München" – mit
dieser Überschrift trat die Welle am 1. April 1971 einzigartig in der deutschen
Medienlandschaft an.
In der Planungsphase gab es Diskussionen, ob die dritte Sendekette eine Pop- oder eben eine Service-Welle werden sollte. Man entschied sich für die Dienstleistung und war damit wegbereitend für die weitere Entwicklung des Radios in der Bundesrepublik. In den kommenden Jahren entstanden auch bei anderen Rundfunkanstalten jene "3. Programme". Der BR leistete hierbei Pionierdienste. Erstmals sollte der Hörer stündlich Nachrichten hören können. Damals, im nichtformatierten Rundfunk, war das nämlich keineswegs so wie heute, dass jeweils zur vollen Stunde ein Gongschlag ertönte. Eine klare Programmstruktur war das Grundgerüst des Senders. Stündlich Nachrichten, die sich in der Länge unterschieden (es gab "Hauptnachrichten", die von B1 übernommen wurden und Kurznachrichten, die vom diensthabenden Servicesprecher gelesen wurden), im Anschluß daran, die Verkehrsmeldungen und weitere Informationen (eben Segelflugwetterbericht, Wasserstandsmeldungen, Lawinenlage, Brieftauben u.ä.). Nach dem "Sigi" (der bekannte Signalton, der die Meldungen einrahmt und eine verfremdete Version des "Alten Peter" ist) begann stündlich eine etwas anders gelagerte Musiksendung. Dabei dominierten anfangs Instrumentaltitel, bis man merkte, dass dies wohl zu monoton und einschläfernd war und eine Mischung mit mehr Gesangsstücken zusammenstellte. Diese Sendungen kamen fast ausschließlich vom Band. Nach der Titelmelodie listete der Stationssprecher einfach die Interpreten auf, die dann unkommentiert liefen. Neben sehr wenigen moderierten Sendungen (wie z.B. Gute Fahrt), begleiteten über viele Jahre hinweg eben diese "Stationssprecher" den Hörer. In drei Schichten führten sie durch den Tag, sprachen die Verkehrsmeldungen, Sendungsan- und abmoderationen und teilweise Nachrichten. Bis in die 80er Jahre hinein bildeten sie das täglich Grundgerüst. Auch in moderierten Sendungen übernahmen sie die Verkehrsmeldungen. Erst als Mitte der 80er Jahre die Sendungen vom Moderator selbst "gefahren" wurden, übernahmen diese auch die Verkehrsmeldungen. Aus diesen Servicesprechern sind im Laufe der Jahre viele Radio-größen hervorgegangen. Allen voran natürlich Thomas Gottschalk, der schon beim Verlesen der Staus am Mittleren Ring das Kunststück einer besonderen Note zustande brachte. Namen wie Gabi Schnelle, Peter Fraas, Enrico de Paruta, Patricia Lipp und Annemarie Sprotte wurden über ihren Sprecherdienst zu "BR-Institutionen". Karriere machten auch Eva Herrman (Tagesschau), Annette Hopfenmüller (Rockmusikerin), Sabine Sauer (TV) oder Helge Sasse (Medienanwalt). Aber auch Thomas Resch, heute Musikredakteur im Sender, startete als Sprecher auf B3. Das Grundgerüst "Servicemeldungen im Musikbett" wurde im Laufe der Jahre zunehmend durch moderierte Zielgruppen-Sendungen ergänzt. Folgerichtung zuerst mit dem etablierten Autofahrer-Magazin "Gute Fahrt", das zunächst von B1 parallel übernommen wurde und schließlich ganz auf B3 wechselte. Doch auch spezielle Musikformate wurden nach und nach ins Programm aufgenommen. Zunächst auch hier eine Übernahme von Bayern 2, der Club 16 (u.a. mit B3-Urgestein Jürgen Herrmann). Werner Götzes "Musik-Report", die Formate von Ado Schlier, Peter Machac und Joe Kienemann waren erste Ansätze für Musiksendungen. Dennoch dominierte weiterhin die "Bandsendung", die in den 70ern eine Bandbreite hatte, die man sich heute kaum mehr vorstellen kann: Schlagermusik (z.B. Dunja Reiter, Katja Ebstein, Julio Iglesias), "Happy-Sound" à la James Last und Raimond Levèvre, Dixie, Schellak, ("garantiert in Mono"), sogar "Leichte Klassik" prägten das Programm. Popmusik war damals noch nicht unbedingt Massengeschmack! Im Laufe der Jahre änderten sich Gewichtung und Prioritäten immer wieder. Wir wollen hier auch keine Wertung über die Qualität der einzelnen Konzepte abgeben. Immer schieden sich am aktuellen Programm die Geister. So schrien die einen, eine Reform sei überfällig, während nach jeder Umstrukturierung die Stimmen laut wurden, dass "früher alles besser" war. Generell gab es
auf Bayern 3 drei Hauptphasen. Der Start als Autofahrerwelle, deren Infoanspruch
sich alles andere unterordnete. Ab den 80er Jahren eine Kombination aus moderierten Musikformaten (z.B. Pop nach acht/Fritz und Hits/Bei Anruf Pop) und
journalistischer Information die mit drei täglichen Infomagazinen
(Morgentelegramm/B3-Kurier/Radioreport) breiten Raum einnahm. Nach der Reform
zum "neuen Bayern 3" am 1. Juni 1992 wechselte das Format zu
"AC", aktuelle Chartmusik und Information auf
"Boulevard-Basis". Zu Beginn der
80er Jahre erlebte der Sender seinen Höhepunkt: 52,8 % Marktanteile! Dass
diese heute meist unter 20 % gerutscht sind, lässt sich natürlich zu einem
großen Teil durch die inzwischen erstandene Privatkonkurrenz und Sendervielfalt
erklären. Dennoch sei der mittlerweile in die besten Jahre gekommenen
Dame "Bayern 3" zu wünschen, sich durch ständige Verbesserungen
und dem Erkennen der zukünftigen Trends, auch in Zukunft als Wegbereiter
zu zeigen. Wohin dieser Weg in einer Zeit, in der die Medienlandschaft
von formatierten Mainstream-Programmen geprägt ist, führen wird, und ob
Bayern 3 an der Spitze der weiteren Entwicklung marschieren wird, werden wir
sehen. |